Jesu Erfolgsgeheimnis als Lehrer
Vom Rabbi Jesus lernen – das wollen 268 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der tsc-Netzwerk-Konferenz vom 10. bis 12. November 2022 auf dem Chrischona Berg. Was zeichnet Jesus Christus als Lehrer besonders aus? Darüber gab am ersten Konferenztag der Theologe und Autor Prof. Dr. Rainer Riesner kompetent Auskunft.
Der emeritierte Theologie-Professor für Neues Testament ist ein fachkundiger Experte für das Thema. Schon seine Dissertation hat er über «Jesus als Lehrer» geschrieben und darin den Ursprung der Evangelien-Überlieferung untersucht. Seitdem sind etliche weitere Publikationen von Prof. Riesner erschienen, zum Beispiel 2019 das Buch «Messias Jesus. Seine Geschichte, seine Botschaft und ihre Überlieferung.»
Lehrweise der kurzen Worte
Doch was ist nun das Erfolgsgeheimnis von Jesus als Lehrer? Prof. Riesner erklärte es mit drei Stichworten: kurz, wiederholend, einprägsam. Jesus bediente sich der Lehrweise der kurzen Worte, die bereits alttestamentliche Lehrer vor ihm angewandt hatten. Als Beleg dafür führte Rainer Riesner die Beobachtung an, dass «80 Prozent der Jesusworte in den Evangelien sehr kurz sind, zwischen ein und drei Verse umfassen».
Neben der Kürze der Worte wandte Jesus drei weitere Kniffe an. Er formulierte häufig in Form von Reimen – dem sogenannten Parallelismus membrorum – der es leichter machte, sich an seine Worte zu erinnern. Ausserdem wiederholte sich Jesus ganz bewusst. «Jesus hat Kernpunkte seiner Lehre in Form kurzer prägnanter Summarien während längerer Predigten gewiss öfter wiederholt», erklärte Prof. Riesner. Die dritte Technik ist die Verwendung von Einleitungsworten, etwa «Amen. Ich sage euch».
Eingängige Gleichnisse
Besonders bekannt ist Jesus für seine Gleichnisse. Prof. Riesner berichtete, dass es auch diese Art der Lehre schon vor Jesus gab. Jesu Gleichnisse zeichneten sich besonders dadurch aus, dass er an die Erfahrungswelt der Hörerinnen und Hörer anknüpft. Er erzählt vom Sauerteig oder vom verlorenen Schaf. Neu ist, dass Jesu Gleichnisse eine göttliche Wirklichkeit zum Thema haben, die noch gar nicht errichtet ist. Und dass sie häufig die Gottesherrschaft in Verbindung mit Jesus selbst bringen.
Die meisten von Jesu Gleichnisse fordern ausserdem zum Weiterdenken auf. Als Beispiel dafür nannte Prof. Riesner das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. «Es ist formal und psychologisch so aufgebaut, dass sich die ersten Hörer zuerst mit dem verständlichen Protest derer identifizieren, die am längsten gearbeitet haben – ohne deshalb mehr zu verdienen. Aber dann fragt der Weinbergbesitzer am Schluss den Protestierenden: ‹Machst du ein so grimmiges Gesicht, weil ich so gütig bin?› Und nun stehen die Hörer selbst vor der Frage, ob sie den Protestierenden oder dem Besitzer recht geben, mit dem Gott gemeint sein könnte.»
Von Jesu Lehrweise lernen
Die tsc-Netzwerk-Konferenz verbindet theologische Impulse unter anderem mit praktischen Impulsen für die Gemeindearbeit. Das wurde in der anschliessenden Fragerunde an Prof. Riesner deutlich. Viele der anwesenden Pastorinnen und Pastoren wollten von ihm wissen, ob sie sich an Jesu Lehrweise orientieren sollten. Prof. Riesner empfahl das durchaus. Sein Tipp: «Wir sollten uns überlegen, manche Dinge in einen festeren Satz zu bringen und den öfters zu wiederholen.» Ausserdem regte er an, die Erzählungen von Gleichnissen in zeitgemässer Weise fortzuführen, etwa in Form von persönlichen Erlebnissen.
«Jesus bediente sich der Lehrtechnik der kurzen Worte. Wenn man die Jesusworte in den synoptischen Evangelien in Einzelstücke aufgleist, stellt man fest, dass ca. 80 Prozent sehr kurz sind, zwischen ein und drei Verse umfassen.»
Prof. Dr. Rainer Riesner, emeritierter Professor für Neues Testament