Theologie und Musik

Lobpreis, der die Gemeinde zum Singen bringt

Beim Chorsingen werden Emotionen ausgedruckt und angeregt. Es entsteht ein Gemeinschaftserlebnis und das Evangelium wird verkündigt.
Auszug des Buches «10.000 Gründe für Lobpreis»

Lobpreis, der die Gemeinde zum Singen bringt

Autorin: Susanne Hagen, tsc-Studiengangsleiterin Theologie & Musik

Der Lobpreis ist in christlichen Gottesdiensten sehr wichtig und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Was kann Lobpreisleitung tun, um die Gemeinde zum Singen zu bringen? Susanne Hagen, Studiengangsleiterin Theologie & Musik des Theologischen Seminars St. Chrischona, begründet die Wichtigkeit des Singens und gibt gute Tipps für Lobpreisleitung.

Singen als Verkündigung

Singen zeichnet sich durch die Verbindung von Sprache und Musik aus. Es verbindet Menschen nicht allein durch das soziale Ereignis, sondern auch durch die Botschaft, welche es vermittelt, und wird dabei zum kunstvollen Kommunikationsinstrument. Der Gesang ist im gottesdienstlichen Geschehen Antwort auf das Wirken und Reden Gottes, wobei die singendende Gemeinschaft dabei selbst zur Verkündigerin des Evangeliums wird. Dabei wird nicht nur über Christus gesungen, sondern Christus selbst offenbart sich in der Liturgie, im gemeinsamen Singen (Kol 3,16 und Eph 5,19).

Als Hörende, Wahrnehmende und kreativ Verkündigende zugleich stimmen wir im Lobpreis mit ein in den ewigen Dialog des dreieinigen Gottes mit seinen Kreaturen. Singen eignet sich in besonderer Weise, um das Evangelium zum Klingen zu bringen. Martin Luther beschreibt das Evangelium als «gute botschaft, […] als gutt geschrey, davon man singet, saget und fröhlich ist».

«Gerade die Klage wie auch die Busse wird in unseren modernen Lobpreissequenzen aus dem gottesdienstlichen Geschehen weitgehend ausgeklammert.»

Susanne Hagen, tsc-Studiengangsleiterin Theologie & Musik

Plädoyer für Klagelieder im Lobpreis

Singen ist affektives Medium: Es vermittelt einen Gemütszustand und kann uns in gleicher Weise in einen anderen Gemütszustand versetzen. Aus den Psalmen lernen wir, uns mit der gesamten Bandbreite unserer Gemütszustände an Gott zu wenden. Dies greift Luther auf, wenn er beschreibt, dass gottesdienstliches Singen zum einen Verkündigung des Evangeliums ist, zum anderen Lob, aber auch Klage beinhalten soll. Gerade die Klage wie auch die Busse wird in unseren modernen Lobpreissequenzen aus dem gottesdienstlichen Geschehen weitgehend ausgeklammert.

Ganzheitlicher, Partizipation ermöglichender Lobpreis eröffnet aber auch jene Dimensionen in Liedern, die von den schweren Seiten unseres Lebens handeln. So wird Evangelium im Singen zum «sinnlichen Klangereignis […] Als klingendes Wort Christi lädt die Kirchenmusik Menschen zum Glauben ein, tröstet und vergewissert. Klagend und lobend, flehend und dankend gibt sie dem dreieinigen Gott die Ehre.» (Arnold, J. (2009): Musik und Gottesdienst: Ein trinitätstheologisches Votum aus evangelischer Perspektive. In: H.-P. Großhans, & M. D. Krüger (Hg.): In der Gegenwart Gottes: Beiträge zur Theologie des Gottesdienstes, S. 256)

Susanne Hagen leitet den Studiengang Theologie & Musik und den Chor am tsc.
Susanne Hagen leitet den Studiengang Theologie & Musik und den Chor am tsc.

Wie Lobpreisleitung die Teilhabe der Gemeinde im Lobpreis fördern kann

Lobpreisleitung eröffnet der Gemeinde und dem Einzelnen die Möglichkeit, sich im Lobpreis einzubringen. Dieser Prozess kann nicht forciert oder manipuliert werden. Es bleibt die Entscheidung des Einzelnen, sich in das Lobpreisgeschehen hineinzubegeben. Ebenso ist das Wirken des Heiligen Geistes im Lobpreis unverfügbar. Aber wenn es gelingt, dass sich die singende Gemeinschaft als Leib Christi hörend, wahrnehmend und verkündigend im Lobpreis vereint, dann wird sie zum Gefäss des Heiligen Geistes und der Lobpreis wird nicht nur irdisch, sondern in gleicher Weise Teilnahme am und Vorschau auf den himmlischen Lobpreis sein.

Aufgrund meiner Erfahrung als Gesangslehrerin, Sängerin und Chorleiterin kann ich bestätigen, dass Singen ein Vorgang ist, bei dem Emotion, Kognition und unser Leib miteinander agieren. Wenn wir die Partizipation der Gemeinde im Lobpreis fördern wollen, können folgende Aspekte hilfreich sein:

«In vielen Gemeinden ist das Liederrepertoire unüberschaubar. Wenn Lieder aufgrund fehlender Wiederholungsmöglichkeit einem Grossteil der Gemeinde fremd bleiben, wird es schwer sein mitzusingen.»

Susanne Hagen, tsc-Studiengangsleiterin Theologie & Musik

  • Unser Körper als Resonanzraum darf durchlässig sein und sich zum Rhythmus bewegen. Er wird angestimmt von den Frequenzen und Stimmungen der Musik und wird selbst zum Instrument, welches sich einbringt in den Chor der anderen Stimmen.
  • Musik kann integrieren, sie kann genauso ausgrenzen. Wenn wir für Lieder Tonarten auswählen, welche für die Hälfte der Gemeinde (z. B. Frauen oder Männer) nicht singbar sind, dann laden wir diese nicht zur Teilnahme am Lobpreis ein. Ein Lobpreisteam sollte sich Gedanken darüber machen, welcher Tonumfang (Ambitus) für Lieder geeignet ist, sodass die Mehrheit der Gemeinde einstimmen kann.
  • Lobpreisleitung vermittelt der Gemeinde beim Singen Sicherheit. Sie stimmt sich inhaltlich auf die Liturgie und die Predigt ab und schafft musikalisch Atmosphäre, einen Spannungsbogen und fliessende Übergänge.
  • Chorsingen kann attraktiv sein. Hier werden Emotionen ausgedrückt und angeregt. Es entsteht ein Gemeinschaftserlebnis und das Evangelium wird verkündigt. Das musikalische Prinzip von call & response, einem Vorsänger und einem antwortenden Chor, demonstriert in lebendiger und moderner Weise das Prinzip, wie sowohl vorgefasste als auch spontane vom Geist gewirkte Lieder zur Anwendung kommen.
  • In vielen Gemeinden ist das Liederrepertoire unüberschaubar. Wenn Lieder aufgrund fehlender Wiederholungsmöglichkeit einem Grossteil der Gemeinde fremd bleiben, wird es schwer sein mitzusingen. Ein Liederrepertoire kann nach ausgewählten Kriterien festgelegt und eingegrenzt werden: gottesdienst-inhaltlich (z. B. Sammlung, Sendung, Verkündigung, Anbetung, Segen etc.), theologisch, sprachlich und musikalisch (z. B. eignet sich das Lied zum Mitsingen).
  • In all jenen Bereichen lohnt es sich, auf Qualität zu achten. In diesem Prozess wird man feststellen, welche Inhalte in Lobpreisliedern eher selten aufgegriffen werden, welche sprachlichen, theologischen und musikalischen Qualitäten dazu beitragen, ob sich ein Lied bewährt oder schnell abnutzt.
Beim Chorsingen werden Emotionen ausgedruckt und angeregt. Es entsteht ein Gemeinschaftserlebnis und das Evangelium wird verkündigt.
Beim Chorsingen werden Emotionen ausgedruckt und angeregt. Es entsteht ein Gemeinschaftserlebnis und das Evangelium wird verkündigt.

Moselewski, Anna-Lena & Faix, Tobias: 10.000 Gründe für Lobpreis.

Buch: «10.000 Gründe für Lobpreis»

Dieser Text ist eine gekürzte Version des Beitrags «Lobpreis – Singen – singende Gemeinschaft» von Susanne Hagen im Buch «10.000 Gründe für Lobpreis. Ein Plädoyer für mehr Vielfalt in Sprache, Theologie und Musik – Impulse und Ideen für die Praxis». Es wurde herausgegeben von Anna-Lena Moselewski und Tobias Faix und ist im Neukirchener Verlag erschienen.