2. Wirksames Wort, wundes Wort: aus der Bibel
«Es werde Licht! Und es ward Licht.»
Die ersten Seiten der Bibel lassen bei unserem Thema staunen, wie ungebrochen das Vertrauen in die Mächtigkeit und Wahrhaftigkeit von Sprache ist. Da erschafft Gott alles durch ein wirkmächtiges Wort. Der Segen ergeht worthaft und gültig. Gott spricht seinen Auftrag an den Menschen verstehbar, klar und gültig im Wort (1.Mose 2,15–17). Und dann werden Adams Benennungen der Dinge gültige Benennungen sein; nicht nur die Sprache Gottes ist damit verlässlich, sondern auch die seines Geschöpfes (1.Mose 2,19).
Einer vom Sündenfall noch unberührten Sprache ist Klarheit, Gewissheit, performatives und repräsentatives Potential zu eigen. Von vornherein tritt der Unterschied des göttlichen und menschlichen Sprechens heraus: Wirklich hervorbringend im Sinne einer Schöpfung aus dem Nichts kann nur Gott sprechen. Beim menschlichen Reden gibt es das nicht: Zaubersprüche soll der Mensch gerade nicht sprechen (5.Mose 18); bei ihm überwiegt das repräsentative und reflexive Sprechen. Der performative Aspekt menschlichen Redens taucht unter göttlichem Auftrag wieder auf: bei den Sakramenten, beim Segnen und in der vollmächtigen prophetischen Rede.
«Sollte Gott gesagt haben?» «So spricht der HERR!»
Die Schlange verdreht Gottes Wort, indem sie Verheissung und Drohung Gottes spiegelbildlich vertauscht. Die Lüge tritt in die Welt und macht jedes Miteinander, jedes Kommunizieren unsicher. So geht es weiter. Adam und Eva verstecken sich vor Gott mit Ausflüchten. Fortan ist die Sprache verwundet. Kain belügt Gott direkt und darf ihm nicht mehr unter die Augen treten. In Babel kommt es zur Katastrophe: Bevor die Menschen den Himmel erreichen, verwirrt Gott die Sprache und sorgt dafür, dass es keine Welteinheitsregierung gibt.
Dann beruft er Abraham in mehreren persönlichen Anreden. Gott führt mit seinem Reden allerdings nicht einfach in ein bequemes Leben, sondern in die grösste Krise, nämlich dass Abraham seinen lang ersehnten Sohn opfern soll.
Auch Mose wird durch Gottes Wort berufen – trotz fehlender Redegabe soll er Israel vor dem Pharao vertreten. Am Sinai empfängt er die Tora als geschriebenes Wort, zugleich den Auftrag, es unverfälscht zu bewahren und weiterzugeben (5.Mose 4 und 13). Eine Kultur der Schriftlichkeit beginnt (5.Mose 6). Die späteren Propheten ziehen mit ihrer Sprachkunst alle Register, um Israel die Tora zu vergegenwärtigen. Doch vergeblich. Sie werden mundtot gemacht. So scheitert Israel am Wort Gottes und verliert sein Land, seinen Tempel, seinen König, seine Eigenstaatlichkeit, seine Freiheit.
Drittes Ergebnis
Unsicherheit und Lügen im Reden des Sünders bringen seine Welt durcheinander. Das Ende der Lüge ist der Tod. Die Sprache der Lügner muss verstummen. Die Bibel beschönigt ihre Hauptdarsteller nie.
Neue Klarheit und Gewissheit entsteht, wenn Gott spricht. Mehr noch: Leben entsteht, blüht auf: «Das Wort ist euer Leben …» (5.Mose 32,47). Auch zwischenmenschlich: «Eine gute Botschaft aus fernen Landen ist wie kühles Wasser für eine durstige Kehle.» (Sprüche 25,25)
«Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns»
Das menschgewordene Wort ist Gott selbst. Seine Worte, die er geredet hat, «sind Geist und sind Leben» (Joh 6,63). Sie sind Nadelöhr: «So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr in Wahrheit meine Jünger» (8,31f.). Und sie sind schwach: Das fleischgewordene Wort wird gekreuzigt, denn es setzt sich nicht zwangsweise durch, sondern wird im Modus des Imperativ Passiv und der Bitte weitergegeben: «werdet getauft/werdet gerettet!» (Apg 2,38/40), «werdet versöhnt mit Gott!»(2.Kor 5,20), «werdet verwandelt!» (Röm 12,2).
«Alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze … dass der Mensch Gottes vollkommen sei»
Wenn die Bibel vom Wort Gottes spricht, spricht sie wie von Gott selbst. Sein Wort hat göttliche Kraft, Lebendigkeit, ja Schärfe (Hebr 4,12f.). Es begegnet sogar in menschlicher Predigt (1.Thess 2; 1.Petr 1; Jak 1,18).
Hierin liegt eine riesige Ermutigung: Wo wir in göttlichem Auftrag und in Übereinstimmung mit dem Schriftwort predigen, gilt: durch zweier oder dreier Zeugen wird eine Sache bestehen.